Projektreise nach Brasilien – Ohne Perspektiven keine Zukunft

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Kolpingprojekte verbessern das Leben der Menschen nachhaltig.

Dienstag, 7. August 2018. Flughafen Frankfurt/Main. Eine Delegation macht sich auf zu einer Projektreise nach Brasilien, um sich über die Lage vor Ort zu informieren. Steffen Kempa (Geschäftsführer) und Melanie Möller (Verbandsreferentin) vom Kolpingwerk Fulda reisen gemeinsam mit Seelsorgeamtsleiter Thomas Renze, dem Regens des Priesterseminars Dirk Gärtner und Steffen Jahn (Referent Missio) vom Bistum Fulda. Ziel ist es, gemeinsam die weltkirchliche Arbeit im Bistum Fulda voran zu bringen, da es viele Schnittstellen in der weltweiten Projektförderung gibt.

Historisch gewachsen ist die Unterstützung der Fuldaer Diözesanpriester von Bistum und Kolping in Brasilien und so entsteht die Idee, sich gemeinsam ein Bild von der Lage vor Ort zu machen.
Erstes Ergebnis der Kooperation ist die Projektförderung eines Kindergartens in den Favelas, den Armenvierteln in Carapicuíba in Zusammenarbeit mit dem Förderkreis Brasilien. Gemeinsam ist es ebenfalls möglich, einen Koordinator für den Landesverband Kolping in Rondonópolis anzustellen.

Brasilien – Fünftgrößtes Land der Erde
Brasilien hat 207 Millionen Einwohnern und ist dünn besiedelt. Es gibt aber eine immense Landflucht und 80% der Einwohner leben in den Städten, viele in den Favelas. Das Christentum hat einen Anteil von 87,9 % und die Gottesdienste sprühen vor ansteckender Begeisterung. Die Delegation will die Menschen kennen lernen, die sich für die Sozialprojekte engagieren.

São Paulo –Hilfsprojekte geben emotionalen Halt zurück in ein menschenwürdiges Leben
Erstes Ziel ist São Paulo, Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaates und größte Stadt Brasiliens mit einer offiziellen Einwohnerzahl von rund 12,1 Millionen.
Nach einem herzlichen Empfang mit zwei Mitarbeitern des Brasilianischen Kolpingwerks (Obra Kolping do Brasil) geht es direkt nach Carapicuíba.
Dort wird klar, wie wichtig eine Perspektive für die Menschen im Kampf ums Überleben ist. Ein Trost sind die zahlreichen Kolpingprojekte die das Leben der Menschen nachhaltig verbessern.
Im „Projeto Mulheres Authenticas“ (Projekt authentischer Frauen) treffen sich Frauen zum gemeinsamen Zumba-Tanzen. Teils unter Tränen berichten sie, wie sich ihr Leben seitdem positiv verändert hat. Traumatisiert, substanzabhängig, depressiv oder unter anderen psychischen Erkrankungen leidend, erhalten sie hier einen emotionalen Halt und eine psychosoziale Unterstützung zurück in ein menschenwürdiges Leben.

(Aus-)Bildung schafft Zukunft
Das Bildungsniveau in Brasilien ist allgemein sehr niedrig. Menschen, die in Kolping-Einrichtungen einen erfolgreichen Abschluss erlangt haben, finden eine Festanstellung in der freien Marktwirtschaft. Die Qualität der besuchten Bildungsmaßnahmen ist sehr anerkannt. Es gibt in Brasilien keine strukturierte betriebliche Berufsausbildung. Es besteht zwar eine Schulpflicht für Kinder zwischen sieben und vierzehn Jahren, welche jedoch nicht wirklich überwacht wird.
Kolping betreibt zahlreiche Zentren, wie beispielsweise in Osasco. Dort gibt es ein „Centro de profissionalização“, welches Informatik, Bildungs-, Tanz-, Sport-, Maniküre-, und Begegnungsangebote anbietet. Menschen, die hier bereits seit Generationen im Kunsthandwerk tätig sind, verzieren kunstvoll Handtücher, Schürzen und T-Shirts zur Kontaktpflege und zum Lebensunterhalt. Familien werden sozialpädagogisch betreut.

Mit der Armut einher geht ein großes soziales Leid.
Kinder leiden unter den Substanzabhängigkeit ihrer Eltern. Frauen werden von ihren Männern geschlagen oder gehen der Prostitution nach. Und Männer leiden angesichts der Perspektivlosigkeit an Lethargie und Depression. Ein Teufelskreis. Hier hilft Kolping, um Familien zu stabilisieren.
„Weil man hier spielen kann. Und Spaß haben kann. Ohne Angst zu haben.“ Das hört man von mehr als 22 Kids, die fröhlich Fußball spielen unter Aufsicht von Ordensschwestern. Die Kinder stammen zum größten Teil aus den umliegenden Favelas.

Favelas – Unvorstellbare Armut und Perspektivlosigkeit
Das Projekt „Comunidade Kolping Nova Carapicuiba “ beinhaltet vielfältige Kursangebote. Mehrere hundert Kinder werden im Kindergarten betreut. Neben der Schule findet auch ein Angebot zur Freizeitgestaltung für Schulkinder statt. Derzeit können 70 Kinder diese Angebote wahrnehmen. Sie basteln, spielen, singen und tanzen. Wo sie sonst wohnen, ist das nicht möglich. Weitere 70 Kinder stehen auf der Warteliste. Kolping und das Bistum Fulda unterstützen den Bau weiterer Räumlichkeiten.
Unter dem Schutz von Frau Böhmer, die als Sozialarbeiterin in den Favelas arbeitet, geht es bis tief in die Favelas hinein. Verworrene Gassen und verschachtelte Wege, das Ausmaß an Armut ist kaum in Worte zu fassen; Schmutz und Müll, streunende Hunde und Tierexkremente. Unbefestigte Wege. Chaotische Strominstallationen. Es scheint, als ob alles kaputt ist - mutwillig beschädigt oder erst gar nicht fertig gestellt. Da wo Platz ist, kommt noch was dran. Ein einziges Provisorium soweit das Auge reicht.

Treffen mit Padre Willi Link – Kirchen in den Favelas als Leuttürme.
Anschließend gibt es ein Treffen mit Padre Willi Link, der eine sehr gute Pflege in hohem Alter in Carapicuíba genießt. Er war Koordinator der Kolpinghilfen für ganz Lateinamerika. Sein ganzes Leben hat er äußerst erfolgreich in den Dienst der Menschen gesetzt und lebt doch bescheiden in einem einfachen Zuhause. Ihm war es wichtig, Kirchen in den Favelas zu bauen, deren Kirchtürme als Leuchttürme der Hoffnung herausragen. „Seine“ Kindergärten sowie eine Kleiderkammer liegen in der Nähe, betreut von einer Kolpingsfamilie mit umfassendem Bildungsangebot.

Juscimeira/Mato Grosso – Fröhliches Pfarrfest mit Bannerübergabe
Beim Pfarrfest in Juscimeira gibt es einTreffen mit Padre Mario (Helmut) Henning und einen Gottesdienst, der unter die Haut geht. Es gibt einen feierlichen Einzug und ein Banner für die Kolpingsfamilie Juscimeira wird im Auftrag der Kolpingsfamilie Burghaun übergeben. Das örtliche Pfarrfest ist das Ereignis des Ortes. Jungtiere werden zugunsten der Pfarrgemeinde versteigert.
Padre Mario erzählt von seinem Lebenswerk: Die Idee Adolph Kolpings nach Brasilien und den Menschen vor Ort deutlich mehr Lebensqualität zu bringen, so wie sein verstorbener Bruder Gerhard. Das Wirken der Fuldaer Diözesanpriester ist überall spürbar, die sich in ihrem Leben so konsequent für den Dienst am Menschen eingesetzt haben.

Aufbau von Strukturen in Rondonopolis
Beim Landesverband Mato Grosso in Rondonópolis darf die Fuldaer Delegation bei der Eröffnungsfeier des Bildungszentrums, „Centro Profissionalizante Pe. Joã Henning“ als Ehrengäste teilnehmen.
Hier wird ein Koordinator im Nationalverband von Kolping und Bistum finanziert Es gilt Strukturen aufzubauen, wie schon in der Vergangenheit. Man braucht qualifiziertes Personal, welches die Idee Adolph Kolpings weiterträgt und Hilfe zur Selbsthilfe leistet, so wie früher die Henningbrüder und Willi Link.
Aber auch Transparenz ist wichtig. Gerade in einem von Korruption gebeutelten Land ist es wichtig zu erklären, warum ein Controllingapparat notwendig ist.
Brasilien ist ein Schwellenland. Korruption und Unvermögen der Regierung haben die Nation um Jahre zurückgeworfen.

Donnerstag, 16. August 2018 - Rückflug von Rio de Janeiro
Nach einer Reise in ein kontroverses Land voller Emotionen und Eindrücke ist noch vieles ist noch zu verarbeiten. Was bleibt, ist die Erkenntnis:
Es muss aus einem Verständnis der Nächstenliebe und der Verantwortung davon ausgegangen werden, dass die Menschen auch zukünftig auf Unterstützung angewiesen sind.
Melanie Möller | Steffen Kempa


Red. Überarbeitung Christina Nophut